Vorbereitungsmaßnahmen für das Aussetzen des Pfleglings im Frühjahr in den Garten und Auswilderung

Das Tier einfach nur an einem schönen Tag am Waldrand aussetzen – das geht mit den meisten Igeln nicht.

Das Aussetzen der Igel in den eigenen Garten, auch wenn Sie ihn da gefunden haben, muss so gründlich wie möglich vorbereitet werden. Je älter das Tier war, als es von Ihnen aufgenommen wurde, je leichter ist die Wiedereingliederung in die natürliche Umgebung.
Soll Ihr Igel im Garten ausgesetzt werden, können Sie Einiges schon in den letzten Wochen vor der Freisetzung vorbereiten:

  • Garten überprüfen auf Gefahrenquellen

  • Den geeignetsten Platz aussuchen, wo Sie das Tier nachfüttern können bis es sich selbst versorgen kann und wo es bestmöglich gegen Regen und vor allem gegen Sonneneinstrahlung geschützt ist

  • Unterbringungshilfe und Nestmaterial für die erste Zeit überlegen und es möglichst dem Tier bereits im Igelraum zur Erkundung anbieten

  • Öfter Geräusche, Düfte, Temperaturunterschiede (Reize aus der Außenwelt) durch längeres Öffnen der Fenster auf das Tier einwirken lassen

  • Die Nahrung verändern und in sehr kleinen Portionen, möglichst versteckt unter ein paar Blättern anbieten, um dadurch das Suchen nach Fressbarem anzuregen

  • Kontakt mit natürlichem Material aus dem Garten herstellen

  • Bewegungsmöglichkeiten erhöhen, z.B. Treppensteigen

  • Evtl. die Temperatur im Igelraum etwas absenken, damit der Temperaturunterschied beim Aussetzen nicht zu groß wird, dem Igel aber die Möglichkeit geben, sich in ein Tuch oder Zeitung einzuwickeln, denn in Winterschlaf sollte er jetzt nicht unbedingt fallen.

  • Pfeifen als Lockruf

  • Wenn nötig: Krallen schneiden oder Schneiden lassen

Erläuterungen:

Der beste Zeitpunkt für das Aussetzen im Frühjahr soll gemäß Grzymek nach den “Eisheiligen“ sein. Heute lässt die Klimaveränderung meistens einen früheren Zeitpunkt zu. Ein genaues Datum gibt es nicht. Gut ist es, wenn der Wetterbericht im April einige sonnige Tage in Aussicht stellt. Sollte das Wetter sich nicht an die Voraussage halten und Sie haben das Tier schon ausgesetzt, wird das auf Grund Ihrer Vorbereitung auf das Leben im Garten dem Tier nicht schaden. Wichtig ist, dass das Kerlchen nicht zu spät ausgesetzt wird, denn dann sind alle Reviere bereits besetzt, und kein Tier kann ohne Revier existieren. Wie groß das Revier ist, hängt von der bebauten Fläche und dem Nahrungsangebot ab, bedeutet aber meistens mehrere Grundstücke. In unseren Gärten ist oft eine bessere Chance für das Überleben des Igels gegeben, weil wir in ungünstigen Witterungsperioden, vor allem bei großer Trockenheit mit Futter und Wasser nachhelfen können, unsere Pflanzen wässern und damit den Boden feucht halten. Igel haben “zeitliche“ Reviere, das heißt, dass die Reviere mehrerer Igel sich deutlich überschneiden. Begegnen sie sich, schnaufen sie sich an und schubsen sich bis einer das Feld räumt.

Verlernt hat der Igel während der Wintermonate zwar nichts, aber es erfordert von unserem Gast doch wieder eine enorme Umstellung vom „betreuten Wohnen“ zu eigenverantwortlichem Leben.

Die Intensität mit der Sie das “Auswildern“ betreiben, ist natürlich abhängig von der Zeit, die Sie dafür haben. Manche Maßnahmen sind leicht zu verwirklichen wie z.B. den Antrieb zur Nahrungssuche erhöhen durch Ausstreuen von Katzenknackis. Hat man im Haus keine Möglichkeiten, kann uns das Tier bei Gartenarbeiten Gesellschaft leisten, z.B. kann man das Tier in einem möglichst ausbruchsicheren Behälter mitnehmen. Besteht aber irgendeine Möglichkeit auszubüxen und man lässt das Tier nur für eine Sekunde aus den Augen, wird es die Möglichkeit nutzen wegzulaufen. Igel sind schnell und auf Grund ihrer Tarnfärbung sehr schlecht zwischen frischen Pflanzenaustrieben wiederzufinden.  Es ist auch nicht verwunderlich, dass sie ausreißen wollen, denn Igelfamilien verbringen den Winterschlaf nicht gemeinsam, und im Frühjahr sind die Jungtiere des Vorjahres erwachsen, müssen ein eigenes Revier erobern und sich auf die Suche nach einem Partner machen.

In erster Linie ist aber die Intensität der Aktionen für das Auswildern abhängig davon, wie selbständig das Tier bereits war, als es in Obhut genommen wurde.

Igel haben  ein gutes instinktives Verhalten, aber lernen noch viel dazu. Was sie in ihrem Umfeld an Fressbarem finden ist gebietsabhängig und kann daher nicht voll und ganz angeboren sein. Igelkinder werden zwar nicht von der Mutter mit fester Nahrung gefüttert, auf Spaziergängen hilft sie ihnen aber beim Auffinden der Nahrung.

Echte Schwierigkeiten bereitet die Umstellung der Nahrung. Die Ausgangssituation für Ihren Pflegling ist, dass Futter auf einem Deckelchen gereicht wird und aus duftendem Katzenfutter + Beimischungen besteht, die einen Teil seiner natürlichen Nahrung, Insekten, Ameiseneier, nur in getrocknetem Zustand enthält. Rosinen, Weintrauben, Rührei, weichgekochte Hähnchenflügel – all das findet der Igel in Zukunft nicht mehr. An lebende Mehlwürmer kann man sie schon vorher gewöhnen, wenn man in Kauf nimmt, dass man hin und wieder einen Mehlkäfer im Igelraum findet, der dem Wintergast entkommen ist. Da der aber flugunfähig ist, braucht man keine Angst zu haben, dass sich der etwa 1½ cm große schwarze Käfer bis in die Küche vorarbeitet und da in Zukunft ein sorgenfreies Leben führt.

Bevor die eigentliche Auswilderung stattfinden kann, wird man ihm das gewohnte Fressen ohne Deckelchen auf dem Boden seiner Behausung, möglichst unter einigen Laubblättern verstreut, anbieten. Beobachtet man Jungtiere, die bereits mehr als 280 g im Vorjahr auf die Waage brachten, also schon allein unterwegs waren, sieht man sie eifrig, den Boden nach Fressbarem absuchend, jedes Blättchen umdrehen. Das ist ein gutes Zeichen. Die langsame Nahrungsumstellung ist vor allem der Grund dafür, dass man die Tiere nicht einfach am Waldrand aussetzen kann. Im Garten können die Tiere ein wenig der gewohnten Kost bekommen, es soll aber nur ein “Zubrot“ sein, bis sie selbst genügend Futter finden.  Bei  Tieren, die als Babys von der Mutter getrennt wurden, wird die Fütterung draußen sicherlich länger durchgeführt werden müssen.

Niedriger Wasserspiegel im Gartenteich, zu steiles Ufer und meistens mit einem Plastikrand angelegt. Gefahr besteht dann auch im trockenen Sommer für einen durstigen Igel, lässt sich aber leicht entschärfen durch flache, waagerecht aufgeschichtete Steine an mehreren Stellen des Teiches, die dem Tier das Aussteigen aus dem Wasser erleichtern. Igel sind zwar gute Schwimmer, aber ihre Körperform und ihre kurzen Beinchen machen ihnen das Erklimmen des künstlichen Ufers häufig unmöglich, und für viele Igel wird der Gartenteich zur Todesfalle.

Ein Zaun aus Maschendraht, den der Igel eigentlich kennen müsste, kann gefährlich werden, denn Ihr Igel weiß nicht, dass er in den Wintermonaten ordentlich zugenommen hat. Weil er nun größer ist, versucht er auch nicht mehr durch die untersten, besser dehnbaren Maschen hindurch zu gelangen, um auch den Nachbargarten zu erobern, sondern versucht, durch eine Masche der zweiten oder dritten Reihe hindurch zu kommen. Ist er dann halb durch die Masche, steckt er fest, denn mit der Vorderpfoten reicht er noch nicht auf die Erde die Nachbargartens, aber seine Hinterpfoten können den Körper auch nicht mehr weiter schieben, sie hängen schon in der Luft. Selbst aus diesem Dilemma kann sich das Tier nicht mehr befreien. Normaler Weise merken sich die Tiere, wenn sie größer werden, die Stelle, an der sie sich durchzwängen mussten, und meiden sie fortan. Sie versuchen dann, den Spanndraht hochzuheben.

Die Gefahr “Maschenzaun“ kann entschärft werden, indem man an einigen Stellen die Erde darunter etwas entfernt oder mit einem Stein den Zaun etwas aus der Senkrechten drückt. Sie können den Igel nicht daran hindern, hin und wieder in den Nachbargarten über zu wechseln. Futter- und Partnersuche zwingen ihn dazu.

   

Kellertreppen sind für einen Igel vom Vorjahr kein Problem mehr, aber Lichtschächte vor Kellerfenstern oder durch Palisaden abgestützte Vertiefungen. Auch hier kann die Gefahr entschärft werden durch Abdecken des Schachtes bis hin zum Fenster oder durch sicher stehende “Trittsteine“.

Das  tiefe senkrechte Loch, im letzten Jahr entstanden durch Herausziehen z.B. eines Pfahls, hat man längst vergessen. Der noch unsichere Igel sucht das Dunkle. Mit Erde aufgefüllt kann nichts passieren.

Für die Unterbringung im Garten kaufen manche Gartenbesitzer eine im Internet oder Katalog angebotene meist nicht billige Behausung und sind dann enttäuscht, weil der Igel sie nicht annimmt. Ein Pappkarton, möglichst ein bisschen größer als ein Weinkarton, darin etwas Zeitung, Stroh und/oder trockenes Laub, in einem ca.50 bis 70 l fassenden Plastikbeutel aus etwas dickerem Material, im Zwischenraum Laub oder Stroh, erfüllt den Zweck aber auch. Wichtig ist dabei, dass das Tier einen trockenen Platz hat und sich vor Schmeißfliegen schützen kann. Der Platz muss aber auch gegen zu intensive Sonneneinstrahlung (Sommerhitze) geschützt sein. Wichtig ist aber auch, dass dieses Arrangement keinen störenden Fleck im Garten darstellt. Wer geschickt ist, kann auch eine Kiste basteln mit einer genügend großen Öffnung und einem abnehmbaren Dach. Meine Igelhäuser aus Palisaden mit einem Wassertonnendeckel vom Baumarkt sind für Einzeltiere zu groß.

Was Igel sich selbst als Unterschlupf suchen, ist recht bescheiden. Sie sollen angeblich alte Mauselöcher unter Wurzeln vergrößern und diese meist relativ flache Unterkunft für sich nutzen. Einige alte Laubblätter, im Gebüsch auf der Erde liegen geblieben, gerade genügend, um sich darin einzukuscheln, reichen ihm zunächst sicherlich aus. Wahrscheinlich wird er umziehen, wenn er etwas Besseres gefunden hat, z.B. die Möglichkeit bei Ihren Nachbarn im “Untergeschoss“ des wenn sie größer werden Gartenhäuschens einzuziehen. Auch der nicht mehr ganz feste Untergrund einer Terrasse ist vielversprechend für die Errichtung einer Igel-Heimstätte.

Ob selbstgebaute Prachtvilla oder komfortabel eingerichtetes 1-Zimmer-Appartement in der Mülltüte oder ein günstiges Wohnungsangebot im Garten –  man kann die Wahrscheinlichkeit für ein längeres Verbleiben im Garten dadurch erhöhen, dass man etwas leicht verschmutztes Material aus dem Winterquartier im Haus in die neue Behausung einbringt oder im Garten für 1-2 Wochen unter Büschen versteckt, denn der Geruch verschafft dem Tier Revier-Sicherheit.

Gewohntes Futter bitte nur kurz vor Anbruch der Dunkelheit in die Nähe der von Ihnen gewählten Igelniederlassung anbieten, vor Vögeln geschützt, unter Zeitung, oder im Gebüsch  versteckt, damit der Igel nicht in der Sonne sitzend darauf wartet und auch keine Schmeißfliegen angelockt werden. Futter soll auch nur ergänzend angeboten werden. Haben Sie das Tier an das Pfeifen (4 bis 5 kurze gleich hohe Pfiffe) gewöhnt, bedeutet das nach wie vor “Gleich kommt mein Futter!“ Der Igel hat die Möglichkeit zu reagieren, aber so schnell wie im Winterquartier reagiert er jetzt nicht mehr.

Evtl. sollten Sie ihre Nachbarn wissen lassen, dass Sie einen Igel ausgesetzt haben, denn häufig verkennen Menschen das Tier und meinen eine Ratte gesichtet zu haben, die es zu beseitigen gilt.

Meistens verschwinden die Pflegetiere nach einiger Zeit aus dem Garten. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Oft kommt ein Igel irgendwann auf seiner Runde wieder durch den Garten und, wenn alles gut geht, manchmal sogar, wenn der Wintergast ein Weibchen war, mit Kindern.

Manche Tiere allerdings kommen mit der Freiheit nicht zurecht. Auch dafür gibt es viele Gründe.

Wie immer das Leben Ihres Igels weiter geht, denken Sie daran: Als Sie das Tier im Herbst aufnahmen, hätte es den Winter nicht überstanden. Sie gaben ihm einige Monate sorgenfreies Leben und eine Chance für das Weiterleben.